Günther Berger
DIE WELTWOCHE
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Comments by "Günther Berger" (@guntherberger1238) on "«Der Westen ist ein Club von Heuchlern»: Ägyptens früherer Aussenminister Fahmy über die Ukraine" video.
Die orangefarbene Revolution ab Herbst 2004 dauerte gut zwei Monate und verlief unblutig. Im Januar 2005 übernahm Juschtschenko die Regierung und wurde neuer Präsident der Ukraine. Janukowitsch verweigerte 2013 das Assoziierungsabkommen mit der EU. Daraufhin kam es zu massiven Protesten vor allem in Kiew und im November 2013 begann der Euromaidan. Die Demonstranten forderten mehr Demokratie und Annäherung an den Westen. Dem widersetzten sich prorussische Separatisten gewaltsam und besetzten Luhansk und Donezk. Kiew hatte die Gebiete bereits vor der Anerkennung durch den Kreml als russisch besetzt eingestuft. Die ukrainische Militäraufklärung schätzte die Zahl der bewaffneten Separatisten auf ca 35.000 Mann.
Die große Entschlossenheit und Resilanz des ukrainischen Volkes hat liberale Demokratien wachgerüttelt und demokratisch geprägten Organisationen somit neues Leben eingehaucht. Wenn auch liberale Demokratien erste wichtige Schritte unternommen haben, um autoritären Revisionismus einzudämmen, stand ihnen eine weitere Herausforderung noch bevor. Jene die Vision der liberalen und regelbasierten internationalen Ordnung weiterzuentwickeln, damit sie für die breitere internationale Gemeinschaft deutlich attraktiver wird.
Am 28.1.2003 unterschrieb Putin und Kutschma den russisch-ukrainischen Grenzvertrag und am 24.12.2003 schlossen beide den Vertrag zur gemeinsamen Nutzung des Asowschen Meeres ab, in welchem das Asowsche Meer zu einem Binnenmeer der beiden Staaten erklärt wurde und die freie Durchfahrt für Schiffe der Vertragsparteien durch die Straße von Kertsch vereinbart wurde. Als Folge der Annexion der Krim verlief de facto von 2014 bis zum Überfall auf die Ukraine am 24. Februar 2022 an der Landenge von Perekop und am Sywasch eine Grenze zwischen der Ukraine und der Krim. Teile der Grenze waren bereits vor Kriegsbeginn 2022 nicht unter der Kontrolle von Kiew, sondern wurden von den nicht anerkannten und von Putin unterstützten Volksrepubliken Donezk und Luhansk kontrolliert. Putin demonstrierte die Hegemonieabsicht indem er 2021 behauptet die 1922 zwischen den Sowjetrepubliken festgelegte Grenze sei eine illegitime Grenze gemäß der Verfassung.
Russland sei damals Siedlungsgebiete beraubt worden. Tatsächlich wurde die Krim 1954 auf Anordnung des damaligen Sekretärs der KPdSU, Chruschtschow, an die sozialistische Sowjetrepublik angegliedert. Da die Grenzen zwischen den Teilrepubliken der Sowjetunion nicht den Stellenwert hatte den heute die Außengrenzen Russlands besitzen, zumal Bürger häufig in eine andere Unionsrepublik umsiedelten. Wegen der vielen Trennlinien im Kampf um die künftigen Ordnungsprinzipien und legitimer Kritik an den Elementen der bestehenden Ordnung wird es nicht reichen lediglich den Status quo zu verteidigen. Stattdessen bedarf es der positiven Vision einer internationalen Ordnung, die es besser vermag Frieden und Wohlstand durch Stabilität für alle zu gewährleisten und sichern. Die russisch-ukrainische Grenze mit der Unabhängigkeit und Souveränität besteht in ihrer völkerrechtlich anerkannten Form seit dem 24. August 1991 durch die Werchowna Rada.
Nach dem Referendum über die Unabhängigkeit der Ukraine am 1. Dezember 1991 gründeten die ehemaligen Sowjetrepubliken mit weiteren Nachfolgestaaten der Sowjetunion die Gemeinschaft Unabhängiger Staaten.
Am 5. Dezember 1994 unterzeichnete die Ukraine das Budapester Memorandum als Friedensvertrag und hat alle Nuklearwaffen an Russland abgegeben. Die Nato-Russland-Grundakte wurde am 27. Mai 1997 unterzeichnet, in dessen völkerrechtlichen Absichtserklärung verpflichten sich beide Seiten die Souveränität aller Staaten zu achten. Russland erkennt an, dass es kein Vetorecht gegen die Nato-Mitgliedschaft anderer Länder hat und die Nato erklärt, dass sie keine Absicht hat in den neuen Staaten Atomwaffen zu stationieren. Der Westen hingegen bekräftigt jedem Teilnehmerstaat das innewohnende Recht seine Sicherheitsvereinbarungen einschließlich von Bündnisverträgen frei zu wählen.
Jeder Teilnehmerstaat wird diesbezüglich die Rechte aller anderen achten und werden ihre Sicherheit nicht auf Kosten der Sicherheit anderer Staaten festigen oder gefährden. Innerhalb der OSZE kommt keinem Staat und keiner Staatengruppe oder Organisation mehr Verantwortung für die Erhaltung von Frieden im Osze-Gebiet zu als anderen und noch kann einer von ihnen irgendeinen Teil des Osze-Gebiets als seinen Einflussbereich betrachten.
Die Nato hat niemals erwogen Russland anzugreifen und die von Putin behauptete Mitverantwortung am Konflikt in der Ukraine ist eine absurde, infantile und zynische Behauptung. Die Nato drängt sich ihren Mitgliedern nicht auf, sondern die als souveräne Nationen entscheiden in einem demokratischen Prozess über einen Antrag zur Mitgliedschaft und zur Aufnahme im Bündnis, welches lediglich dazu konzipiert ist vor russischer Hegemonie bzw vor dessen Territorialexpansion zu schützten. Die Ukraine wird zu ihrem Schutz nicht nur zur Nato, sondern auch zur EU kommen.
Die Nato ist dabei die Fehler der Jahre 2008-2013 zu wiederholen, weil man mit der EU das erste Kapitel für Beitrittsverhandlungen eröffnete, die Perspektive der Ukraine aber nicht konkretisiert hat. Ohne die Nato-Mitgliedschaft der völkerrechtswidrig überfallenen und teilokkupierten Ukraine wird es keinen Frieden und keine EU-Integration sowie keine Investitionen in der Ukraine geben können. Beim Nato-Gipfel 2008 konnte das Bündnis keine Einigkeit darüber erzielen mit der Ukraine einen klar strukturierten Aktionsplan für ihre Mitgliedschaft einzugehen.
Danach haben europäische Politikerinnen und Politiker immer wieder der Ukraine zu erklären versucht, dass europäische Integration ohne eine Nato-Mitgliedschaft möglich sei. Das Argument war, dass Putin nicht gegen die europäische Integration der Ukraine sei, die Nato sei aus Sicht des Kremls aber ein Problem wegen der propagandierten roten Linien. Im Jahr 2013 verhinderte Putins Administration, dass der damalige ukrainische Präsident Janukowitsch ein Assoziierungsabkommen mit der EU unterzeichnete. Wenn man jetzt den EU-Beitritt der Ukraine konkret verhandelt, wird der Prozess natürlich lange dauern. "Lange dauern" darf man aber nicht als Synonym für "kommt nicht" verwenden. Es gibt sehr gute Gründe warum alle neuen EU-Mitglieder in Mittel- und Osteuropa vorher Nato-Mitglieder wurden. Diese Gründe gelten auch weiterhin uneingeschränkt. Russland unter Putins Führung zeigt es nämlich täglich der ganzen Welt aufs neue und man weiß somit mittlerweile aus Erfahrung sehr genau:
"Ohne Sicherheit ist alles nichts."
Je länger Putins Krieg dauert, umso schneller schaufelt er sich das eigene Grab, denn das Umstellen auf Kriegswirtschaft hat keinerlei Nachhaltigkeit und noch viel weniger wirtschaftliche Stabilität. Europa und England hat Jahrzehnte gebraucht, um sich wirtschaftlich vom Zweiten Weltkrieg zu erholen und den Wirtschaftsaufschwung nach dem Krieg gab's dann nur durch stabilen Frieden. Die Dörfer, Städte und Kultureinrichtungen in dem Gebiet sind Ruinen und es gibt zerstörte Infrastruktur. Es kostet viel Geld das wieder aufzubauen und es ist viel Arbeit die Minenfelder zu räumen. Russland ist für westliche Investitionen aber weitgehend obsulet und das auf Jahrzehnte, denn im Moment wo der Krieg aus ist und die Kriegswirtschaft zusammenbricht, ist die Wirtschaft tot.
Putin hat der Ukraine und Russland auf Generationen hinaus Elend und Tod beschert. Keine neuen Regionen Russlands werden jemals von der Welt und schon gar nicht von der Ukraine anerkannt werden. Russlands Erklärungen über geplünderte Gebiete werden von niemandem beachtet werden und es gibt große internationale Ächtung für die Gräueltaten, Folterungen und Tyrannei in diesem Krieg. Die Krim, Donezk, Mariupol, Bachmut und Awdijiwka werden immer eine blutige und brennende Wunde sein im kollektiven Gedächtnis, das über viele Generationen hinaus anhält. Die Menschen die heute töricht genug waren Putins Unsinn zu glauben und dem System Putin stur zu getrauen, werden sich im Donbass niederlassen. Ihr Schicksal wird zweifelsohne schrecklich sein.
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